Der Veranstalter rief die Marathongemeinde und zum Samstag, den 03.10.2020 hatte der RC Germania Düsseldorf die Langstreckenruderer zu einer der wenigen diesjährigen Regatten an den Rhein versammelt. Die Covid-19-bedingte maximale Booteanzahl von 100 war schnell nach Meldeportalöffnung erreicht.
Nach Regatten mit meinen Ruderkameraden aus Karlsruhe in Lüttich (40km), bei der EUREGA (100km) und beim Elf-Steden-Marathon (216km) hatte mir der Rheinmarathon noch gefehlt. Im Frühsommer meldete sich ein ehemaliger Mitruderer und schon war ich im Boot. Unsere Meldung war rechtzeitig und der Termin stand. Leider zeitgleich mit der Regatta in Nürtingen.
Start ist in Leverkusen und dann geht es 42,8km rheinabwärts bis nach Düsseldorf. Das Wetter war als unbeständig vorausgesagt, der Wind sollte unterstützend wirken, die Strömung war normal. Tatsächlich wehte ein steter Gegenwind. Allerdings war die Lufttemperatur akzeptabel und die Niederschläge setzten erst nach unserer Zielankunft ein.
Eine tadellose Organisation des Veranstalters ermöglichte das Zuwasserbringen der Boote nacheinander und ohne Stress. Alle 1,5 Minuten startete ein Boot. Da es mehrere – den Mannschaften genau zugeordnete – Ablegestellen und -zeiten gab, war das kein Problem.
Gerudert wurde im Gigvierer mit Steuermann. Die Ausleger wurden abgeklebt, unser Boot hatte Lenzklappen. Pünktlich um 10 Uhr starteten wir als letztes Boot unserer Altersklasse. Sechs weitere Teams, die auch gewinnen wollten, waren vor uns gestartet. Wir kamen gut in Fahrt und konnten bald einen unserer Gegner einholen. Wir hatten uns für eine direkte Linie entschieden, d.h. Kurven schneiden und die kürzeste Route wählen. Viele der anderen Boote wählten den Kurs konsequent im stärksten Strom. Was nun schneller ist, kann eigentlich nur das Ergebnis darstellen. Wir haben noch drei Boote überholt.
Da die Schifffahrt auf dem Rhein ständig aktiv ist und es vollbeladene und leere Transporte gibt, die unterschiedlich schnell und in unterschiedliche Richtungen unterwegs sind, hatten wir damit auch einige Male Bekanntschaft schließen dürfen. Bei entgegenkommenden unbeladenen Frachtern konnte ich das noch entspannt hinnehmen, doch zweimal begegneten uns vollbeladene Schubverbände. Die erste Welle lässt schon ahnen was folgen wird. Das Boot steigt auf, dann geht es rasant herab und wir stechen in die Folgewelle, die sich den Weg über den Luftkasten bis zu den Ruderern sucht und findet. Zum meinem Leidwesen, da ich auf dem Bugplatz saß und auf einen Schlag von Kopf bis Fuß durchnässt war. Doch positiv betrachtete ich es als Taufe des neuangeschafften Einteilers des RCFS.
Es ist nicht unangenehm durch die Wellen zu stampfen, wenn man sich darauf einlässt und sich in eine Harmonie mit dem Wellenzyklus begibt. Wenn alles passt und man es schafft Wellenberg und -tal in den Schlagrhythmus zu integrieren, ist es zudem noch ein gefühlter Geschwindigkeitsgewinn. Fast wartet man schon sehnsüchtig auf den nächsten Ritt auf der Welle.
Wir kämpfen uns an ein talfahrendes Schiff heran, etwas überrascht, dass dieses nicht schneller als wir unterwegs ist. Doch die Lösung kam auf den nächsten Kilometern. Es hat einen zweiten talwärts fahrenden Frachter überholen lassen … just in diesem Moment als wir ihn eingeholt hatten. Dann tauchte auch noch ein entgegenkommender Dampfer auf. Alle nahmen wieder ihr normales Tempo auf, nur wir nicht – ich glaube wir haben mehrere Minuten verloren im Kampf gegen diese sich kreuzenden und querlaufenden Wellen.
Es waren dort noch 8km bis ins Ziel. Die Mannschaft war erschöpft und zermürbt, doch aufgeben gilt nicht. Eine kurze deutliche und scharfe Aufmunterung (=Ermahnung) ließ uns wieder in den Rhythmus finden. Die letzten zwei Kilometer wurden angesagt, die Schlagzahl erhöhte sich und wir arbeiteten uns in Ziel. 2Std. 25min und noch ein paar Sekunden. Sollte es zum Sieg reichen?
Schnell anlegen, Boot zu Landbringen, etwas essen und trinken, trockene Sachen anziehen … warten,
warten auf die Siegerehrung, die in diesem Jahr relativ schnell nach den einzelnen Rennen durchgeführt wurde. Bei den bisherigen Veranstaltungen war Party angesagt und alle Ehrungen wurden ganz am Ende nach Eintreffen der letzten Boote durchgeführt.
Die ersten drei Platzierten erhalten Medaillen. Der Sprecher ruft auf: Platz drei … nein, nicht unser Boot, Platz zwei … auch nicht. Sollten wir etwa Vierter geworden sein? Platz eins: Renngemeinschaft Karlsruhe, Kettwig, Schweinfurt!
Erleichterung macht sich breit, die Medaillen zaubern uns ein Lächeln ins Gesicht. Beim Bootverladen schwärmt man, dass es der beste Vierer seit langem gewesen sei und dass wir doch nächstes Jahr wieder in dieser Besetzung angreifen sollten … und überhaupt, das Boot habe Potential und wir könnten doch auch noch andere Regatten besuchen … es gäbe da noch die 160km über den Genfer See.
Bei meiner anschließenden Heimfahrt nach München brauchte es eine Pause … im ‚da Carmine‘ in Nürtingen, um mit den Schweinfurter Kameraden und einem alkoholfreien Bier auch auf deren Erfolge anzustoßen. Gratulation, eine tolle Gruppe ist da unterwegs.
Als regattastreckenverwöhnter Rennbootruderer mit Strömung, Frachtschifffahrt, Gigboot und dieser Langdistanz konfrontiert zu werden ist auf jeden Fall eine Erfahrung. Ich möchte sie nicht missen. Mit einer guten Vorbereitung findet man die erforderliche Balance zwischen schmerzenden Körperteilen, Erschöpfung, Nässe, dem Zweifel und dem Genuss am Vortrieb des Bootes beteiligt zu sein. Ich erinnere mich wie ich zeitweise die Augen geschlossen habe, der Spannung des Körpers bei jedem Durchzug folgen konnte und den gemeinsamen Willen der Mannschaft und den Bootslauf spürte, mit jedem Schlag weiter dem Ziel entgegen.
Das ist es was den Rudersport so einzigartig macht und zur Sucht werden lässt.
Bleibt gesund und erinnert Euch an Eure erfüllenden Erlebnisse im Rudererleben.
J.R.