Eigentlich wollte unser Pfiff ja schon letztes Jahr gerne seinen Hut nehmen und das Amt des Vorsitzenden des Deutschen Ruderverbandes nach 12 Jahren in jüngere Hände abgeben. Doch coronabedingt musste die dafür passende Gelegenheit um ein Jahr verschoben werden: der 65. Deutsche Rudertag, der nun vom 15. bis 17. Oktober 2021 zum zweiten Mal in der Stadt von Siegfrieds Heimatverein, dem Schweinfurter Ruder-Club, stattfand.
Ein Jahr dranhängen – kein Problem, könnte man denken. Doch wer an der Eröffnungsveranstaltung am Freitag im Konferenzzentrum dabei sein konnte, erfuhr vieles und so einiges neues, was Siegfried Kaidel für den deutschen (Ruder-)Sport im Ehrenamt geleistet hatte – auch in seinem 13. und letzten Jahr. So war der Abend zwar dicht gepackt mit traditionellen Elementen (Ehrungen, Talkrunde, Verabschiedung von Athleten usw.), im Mittelpunkt stand jedoch Siegfried Kaidel.

DRV Präsident Siegfried Kaidel (links) und Moderator Norbert Steiche begrüßten die Gäste im Schweinfurter Konferenzzentrum
Als eloquenter und ruderkundiger Moderator führte Norbert Steiche durch den mehr als vierstündigen – aber kurzweiligen – Abend. Zusammen mit Pfiff eröffnete er die Veranstaltung und wollte sogleich wissen, was er denn an so einem Abend fühle. „Momentan fühle ich noch gar nichts“, meinte Pfiff. Das sollte sich aber noch ändern.
Die weiteste Anreise dürfte der erste Redner hinter sich gebracht haben: FISA-Präsident Jean Christophe Rolland aus Frankreich. Seine Rede wurde simultan übersetzt und beleuchtete insbesondere Kaidels Verdienste um den internationalen Rudersport.

FISA-Präsident Jean Christophe Rolland war extra aus Frankreich angereist
Schirmherr Ministerpräsident Markus Söder war per Videobotschaft zugeschaltet und ließ es sich nicht nehmen darauf hinzuweisen, dass auch er regelmäßig rudern müsse, wenn auch nur im übertragenen Sinne. Er wusste aber auch, dass es wie beim richtigen Rudern immer auf die Teamleistung ankomme.

Grußworte des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder
Dass Kaidel als Verbandspräsident auch auf allen politischen Ebenen für den Rudersport sehr engagiert war und dabei wohl auch immer den richtigen Ton getroffen hatte, durfte man den entsprechenden Grußworten entnehmen. Es sprach der parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministerium Stephan Mayer. Beindruckend war die Auflistung von Kaidels Verdiensten – nicht nur wegen der Länge, sondern auch wegen des freien Vortrages, gespickt mit Anmerkungen, die den Freunden des Rudersports gefielen, u.a.: „echte Athleten rudern, andere machen nur irgendwelche Spielchen“. Mayer wusste auch zu berichten, dass der Deutsche Ruderverband der älteste und größte Ruderverband der Welt sei und der erfolgreichste aller deutschen Sportverbände bei Olympia: 64 Gold-, 31 Silber- und 29 Bronzemedaillen. Ruderer leisten vor 8.00 Uhr eben mehr, als andere den ganzen Tag, so Mayer.

Der parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministerium Stephan Mayer
Die Grußworte des Bayerischen Innenministerium überbrachte Staatssekretär Gerhard Eck. Er postierte sich „vollkommen unbewaffnet“ hinter dem Mikrofon und zeigte seinen in den letzten Tagen auf Scheckkartengröße geschrumpften Spickzettel. „Wir sind stolz auf unseren Ruder-Club und auf Siegfried Kaidel“, versicherte Eck und wusste einiges aus der vieljährigen Zusammenarbeit zu berichten.

Staatssekretär des Bayerischen Innenministeriums Gerhard Eck
Oberbürgermeister Sebastian Remelé überbrachte die Grußworte der Stadt Schweinfurt. Er freute sich insbesondere, dass mit dem Deutschen Rudertag nach Corona erstmals wieder eine Großveranstaltung in Schweinfurt stattfinden könne, die, wie auch die Bayerischen Meisterschaften, hervorragend organisiert sei. Doch Remelé hatte nicht nur für Kaidel warme Worte. Stellvertretend für alle Ehrenamtlichen ließ er Horst Masuch einen Sonderapplaus zukommen, dem er schließlich zwei seiner Kinder zur Ruderausbildung anvertraut habe. Remelé wusste auch zu berichten, dass der Ruder-Club im Jugendbereich als fast einziger Verein in Schweinfurt in der Coronazeit Zulauf hatte und dass der Ruder-Club zweifelsfrei über die beste Küche aller Schweinfurter Sportvereine verfüge.

Oberbürgermeister der Stadt Schweinfurt Sebastian Remelé
Nun aber hieß es für Siegfried Kaidel offiziell Abschied zu nehmen. Sein Stellvertreter Moritz Petri und der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Dr. Thomas Bach, betraten die Bühne und baten Pfiff zu sich herauf. Bach würdigte Kaidels Verdienste für den Rudersport, aber auch für den olympischen Sport allgemein, während im Hintergrund Bilder aus Pfiffs Leben gezeigt wurden: vom Rudersport, vom Club und von vielen nationalen und internationalen Begegnungen auf Regatten, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. „Danke für die Freundschaft, die ich all die Jahre mit dir erfahren durfte“, hatte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) aus Tauberbischofsheim gesagt. Der oft so glatt und hart wirkende IOC-Chef zeigte sich bei seiner Laudatio „von Unterfranke zu Unterfranke“ von einer ganz anderen Seite, die viele im Saal angenehm überraschte.
Er dankte Kaidel für dessen Unterstützung in den „nicht einfachen Zeiten“ nach der Gründung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), hob seine Fähigkeit zum „Blick über den Tellerrand“ und dessen „Gradlinigkeit“ hervor und schloss: „Du hast dem Sport Gewicht und Stimme verliehen.“ Stehende Ovationen – langanhaltender Applaus der ca. 200 anwesenden Gäste. Als persönliches Geschenk überreichte Bach Kaidel eine IOC-Erinnerungsmedaille an die Spiele von Tokio mit der Seriennummer 13 – für die 13 Amtsjahre des Schweinfurters beim DRV. Und so mancher erinnerte sich an Pfiffs Anmerkung vom Beginn des Abends, dass er „noch nichts“ fühle. Jetzt suchte er nach passenden Dankesworten, musste aber diese Suche – fast zu Tränen gerührt – aufgeben.

Noch Stellvertreter und jetzt neuer DRV-Präsident Moritz Petri

Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Dr. Thomas Bach überreicht an Siegfried Kaidel die IOC-Erinnerungsmedaille an die Olympiade Tokio
Nach einer Unterbrechung der Eröffnungsfeier zugunsten des Buffets bat Moderator Norbert Steiche Spitzensportler des Ruderverbandes zur Talkrunde auf die Bühne: Franziska Kampmann, Sylvia Pille-Steppat, Oliver Zeidler, Richard Schmidt sowie Johannes Weißenfeld. Norbert entlockte so manches Geheimnis um Erfolge und Misserfolge, Hobbys, berufliche, private und sportliche Zukunftspläne. Mit Gunnar Treff (wissenschaftlicher Koordinator im DRV) sowie dem neuen leitenden Bundestrainer Christian Felkel wurden zwei wichtige Eckpfeiler der (hoffentlich) Medaillenschmiede im DRV vorgestellt.

Norbert Steiche im Interview mit Spitzensportlern
Es folgten die Ehrungen für besondere Verdienste. Aus Schweinfurter Sicht besonders interessant war die Laudatio durch Siegfried Kaidel für Klaus Stapf vom Schweinfurter Ruder-Club. Schon während Pfiffs Zeit als DRV-Schatzmeister hatte sich Klaus im Ehrenamt immer wieder in finanziellen und steuerlichen Belangen als fundierter Berater bewiesen und seine Dienste über viele Jahre dem DRV zur Verfügung gestellt.

Klaus Stapf wird geehrt für besondere Verdienste
Schließlich wurden noch die anwesenden Spitzensportler offiziell verabschiedet, die sich aus dem Hochleistungssport – zumindest als Sportler – zurückziehen werden: Richard Schmidt, Eric Johannesen und Franziska Kampmann. Norbert Steiche moderierte ein letztes Mal, bevor die Gäste aus dem offiziellen Teil in die persönlichen Gespräche und Begegnungen verabschiedet wurden.

Verabschiedung der Hochleistungssportler
Text Philipp Grimm, Fotos: Dr. Werner Ruf und Marcel Tully